Presse

Neue Rhein Zeitung, 12.11.2005

Nichts wie auf die Couch!

PREMIERE / ... und zwar bei Claus Biederstaedt, der im Kö-Theater den "Neurosen-Kavalier" spielt, kurzweiliger Spaß.

Michael-Georg Müller - Haben Sie einen Vogel? Oder gleich zwei? Dann sollten Sie am besten auf die Couch von Doktor de Witt, alias Bollmann, alias Claus Biederstaedt. Der macht zwar nur Urlaubsvertretung für den berühmten Nerven-Professor Otto. Als "Neurosen-Kavalier" kuriert er aber jeden, der irgendwie 'ne Meise hat: einen Finanzbeamten, der sich für Elvis hält, eine Schriftstellerin mit Vaterkomplex und die Kleptomanin Sybille Bast, alias Karin Dor. Auf und zu gehen die Türen in der Promi-Praxis von Professor Otto im Theater an der Kö. Nicht zu vergessen einen verschrobenen Kommissar, der nach 40 Dienstjahren einen Kaufhausdieb sucht. Dass der Gängster und der Psychologe ein und dieselbe Person sind, erfährt man in den ersten Minuten der gleichnamigen Krimikomödie, mit der das Haus jetzt in die Weihnachts-Saison startet.

Knäuel aus Lebenslügen

Heiter und urkomisch reihen sich Verwechslungen aneinander, drehen sich immer schneller zu einem Knäuel aus lauter Verwirrungen, Lebens- und Notlügen zusammen, das Biederstaedt als Regisseur und Titelheld erst ganz am Ende fallen lässt. Verkleidet als Weihnachtsmann streunt er als Schlawiner Felix Bollmann durchs Kaufhaus "Hortie", klaut wie ein Rabe, flieht in die nächste offene Tür und landet zufällig im Therapeuten-Salon. Da wartet eine Sprechstundenhilfe auf eine Vertretung und reicht dem flüchtigen sogleich den Kittel. Fräulein Engel heißt sie - der Name verpflichtet. Denn sie rettet den falschen Doktor de Witt aus vielen kleinen Zwangslagen. Dass sie ebenfalls mit dem echten Psychologen de Witt anbändelt, sobald der die Praxis betritt, zerknirscht den munteren Bollmann ...

Wer ist der bessere Arzt - der mit gesundem Menschenverstand, oder derjenige, der alle Regeln der Wissenschaft beherrscht und den Doktorhut stolz vor sich herträgt? Die Frage wird nur indirekt beantwortet; denn nach zwei Stunden Therapie mit dem selbst ernannten titellosen Psychodoktor scheinen alle Patienten geheilt. Der eben noch spröde und schüchterne Finanzbeamte (hinreißend: Philippe Roussel) hat sein Sänger-Coming Out und gibt eine Kostprobe als schluchzender Elvis in weißem Glitzerlook und mit rollendem Becken. Die Autorin outet sich als Lesbe, und die reiche Kleptomanin (Karin Dor zieht hier alle Mimen-Register) verliebt sich in den verständnislosen Amateur-Mediziner, der sich auf das Klauen ja ebenfalls so gut versteht.

Kurzweilig, amüsant und mit heiterem Tiefgang jagen die Abenteuer des Neurosenkavaliers Bollmann vorüber und gipfeln in einem Finale der frohsinnigen Selbsterkenntnis, das für Weihnachten und Silvester wie geschaffen ist. Siegmund Freu(d)t sich.

Traumpaar: Claus Biederstaedt und Karin Dor. Bei der Premiere gab es für die beiden Stehende Ovationen. (Foto: Theater an der Kö)