Presse

Westdeutsche Zeitung, 12.11.2005

Weihnachtsmann auf Abwegen

"Der Neurosen-Kavalier" von Gunther Beth und Alan Cooper feierte Premiere im Theater an der Kö. In den Hauptrollen glänzten Claus Biederstaedt und Karin Dor.

Lars Wallerang - Außer Atem rettet sich ein Herr (Claus Biederstaedt) mit Weihnachtsmann-Kostüm über dem Arm und einer abgegriffenen Reisetasche in der Hand in die leere Praxis eine Psychiaters. Gleichzeitig läuft im Radio die Nachricht, ein als Weihnachtsmann verkleideter Dieb habe im Kaufhaus Hortie die Hauptkasse geknackt - und der Zuschauer ist im Bilder, wer der aus der Puste geratene Mann wohl ist. Zufälligerweise befindet sich der eigentliche Hausherr der Praxis, ein Professor Otto, auf Dienstreise, und seine Sprechstundenhilfe Fräulein Engel (Susanne Huber) wartet auf die Vertretung. Der Boden ist bereitet für eine klassische Verwechslungskomödie.

"Der Neurosen-Kavalier" heißt das Stück, das nun im Theater an der Kö Premiere feierte. Auf der Bühne steht ein Ensemble, das schon seit den 80er Jahren Erfahrung in der Aufführung des Klassikers von und mit Gunther Beth gesammelt hat. Neben Biederstaedt brillieren der Autor Gunther Beth, Karin Dor, Irène Hubschmid, Hans Heinrich Rüegg, Susanne Huber und Philippe Roussel in der recht gediegenen Komödie, die erheitert, ohne zu verletzen. Allein der Berufsstand des Psychiaters gerät in die Schusslinie hämischer Satire. Die restlichen Witze tun niemandem weh, zünden aber kräftig. Das liegt vor allem an dem perfekt eingespielten Ensemble: Biederstaedt beherrscht die Kunst der humorvollen Nuancen. Feinheiten der Betonung geben selbst mäßigen Gags noch einen Kick.

Das Stück spielt mit Neurosen, Ängsten und Wunschträumen der Menschen. Da ist beispielsweise der völlig verstörte Jürgen Appelhans (Philippe Roussel), der sich einerseits für Elvis Presley hält, gleichzeitig aber unter neurotischen Ängsten leidet und sich nicht traut, in der Kantine an seinen Kollegen vorbei zu gehen. Pikant wird die Rolle als falscher Doktor de Witt für den polizeilich gesuchten Weihnachtsmann, als er von einer notorischen Kleptomanin (Karin Dor) konsultiert wird. Er fühlt sich von ihr, sie sich von seiner Tasche (mit der Beute) magisch angezogen. Besonders verwickelt und für Pointen wie geschaffen wird die Geschichte, wenn Kommissar Maiwald (Hans Heinrich Rüegg), der den Weihnachtsmann von Hortie jagt, als Patient auftaucht und darüber jammert, dass er den Räuber nicht zu fassen kriegt.

Am gefährlichsten wird dem falschen Psychiater der echte Doktor de Witt, der natürlich ebenfalls auftauchen muss. Doch das ganze geht glimpflich aus. Und nebenbei ist viel Liebe im Spiel. Zwischen der pathologisch diebischen Elster und dem gemeinen Dieb, der als Doktor aber ungemein sympathisch wirkt, knistert es von Anfang an. Auch zwischen dem echten Doktor und der Sprechstundenhilfe bahnt sich eine Liaison an. Große Überraschungen gibt es zwar nicht, denn viele Geschehnisse sind vorhersehbar. Doch das komödiantische Talent der Darsteller und das souverän aufeinander abgestimmte Zusammenspiel steigert den Witz des Stücks auf fabelhafte Weise.

Claus Biederstaedt und das ehemalige Bond-Girl Karin Dor sind seit 20 Jahren das Traumpaar im Komödien-Klassiker "Der Neurosenkavalier". Im Theater an der Kö brilliert das Duo als Kleptomanen-Team.